Werfen wir doch einmal einen näheren Blick auf dieses augenscheinlich so facettenreiche Konstrukt:
Spricht jemand von „seiner Beziehung“, so wissen wir alle sofort, es geht nicht um die Freundin, Mutter, den Bäcker oder Chef, sondern, ganz bedeutungsschwanger von DER BEZIEHUNG schlechthin, also davon, wo ZIEHEN ganz groß geschrieben wird (seltsamerweise reden die meisten dann von „MEINER Beziehung“, komisch, dachte, da gehören zwei dazu und es würde somit automatisch zu „UNSERER Beziehung“?).
Da sieht man sich also das berühmte erste Mal und fühlt sich irgendwie voneinander angezogen. Schwänzelt und tänzelt umeinander und fühlt sich dann, nach ein wenig Zeit und näherer Betrachtung, zum anderen hingezogen. Schon allein der Gedanke an den Anderen verursacht ein leichte Ziehen im Herzen. Zwar kennt man sich noch nicht so lange, weiß aber ziemlich schnell, wie man sich auf den anderen bezieht, als ein liebevoller, aufregender, inspirierender, zuverlässiger…. etc. Mensch. Und so trifft man auf Grund dessen die Entscheidung, jetzt mal gemeinsam durchs Leben zu ziehen.
Nach vermehrten Genuss nächtlichen Ausziehens, tritt dann nach einiger Zeit oftmals der Wunsch auf, nun auch zusammenzuziehen, was dann auch geschieht. (wobei sich dabei mir schnell etwas im Innern zusammenzieht, denn, wie lange habe ich in meiner Jugendzeit gebraucht, um endlich ein eigenes Zimmer zu bekommen, und soll nun mit einem mir doch wesentlich fremderen Menschen als meinem eigenen Bruder ein Schlafzimmer teilen?)
Die Zeit vergeht und langsam wird es brisant. Der Schleier der Illusion zieht sich allmählich zurück und der gewählte Beziehungsteilnehmer taucht langsam im eigenen Licht auf. Verschwunden sind schnell Anziehung und Hingezogenheitsgefühl (dreht sich manchmal sogar drastisch um satte 180 °) und immer öfter zieht der ein oder andere ein Gesicht, oder zumindest mal die Mundwinkel nach unten.
Wolken ziehen am Himmel auf und verdunkeln diese Gemeinschaft.
Erwartungen werden nun doch nicht erfüllt, all das, was sich so vielversprechend angefühlt hat, ist nun kaum noch nachvollziehbar. Erst zieht man sich neckisch ein wenig auf, bis dann die Stufe des gegenseitigen Erziehens beginnt. Er sollte so sein, sie aber nicht dieses machen…., man wird sich doch wohl der Beziehung zu liebe mal ein bissel ändern können…doch diese Ansprüche sind oftmals völlig überzogen!! Hat man sich dann über die Dauer genug runterziehen lassen, fängt der eine dann an, sich komplett zu entziehen und verschwindet in Unerreichbarkeit, verzieht sich in die nächste Kneipe oder vor den Fernseher, oder der andere zieht sich schmollend in seinen Unterschlupf aus schlechter Laune und alten Mustern zurück und die alten Strategien ziehen auch nicht mehr.
Stellt man dann enttäuscht nach einiger Zeit fest, dass man nicht mehr am gleichen Strang zieht, so entscheidet man, den anderen wieder alleine ziehen zu lassen. Wenn‘s schlecht läuft, zieht man noch ein bisschen über den anderen her, oder sagt ganz schwülstig und mit stolz geschwellter Brust: ich habe ihm verziehen…..! Und dann zieht ein jeder wieder auf seinem eigenen Weg weiter, bis die nächste Anziehung um die Ecke kommt.
Im Internet findet sich folgende Definition:
Viele Menschen in einer Beziehung fühlen sich innerlich wie zerrissen. ... Eine Partnerschaft geht man im Gegensatz zur Beziehung nicht deswegen ein, weil man etwas braucht, sondern weil man erstens etwas gemeinsames mit jemandem gestalten/entwickeln möchte, und weil man zweitens dafür etwas zu geben hat.
Ah, verstehe, aber wie ist es denn nun um eine Partnerschaft bestellt? Ist das das Modell des Zusammenlebens, das ich mir wünsche?
Ein PARTner ist ein TEILhaber. Sind wir dann nur zu zweit ein GANZES? Oder mehr als die Summe aller Teile? Sagt das denn automatisch etwas darüber aus, wie er zu mir steht? Bestenfalls verfolgen wir die gleichen Ziele und ich kann mich daher hoffentlich auf ihn verlassen, aber wie sieht dann im Zwischenmenschlichen aus? Was kann ich davon ableiten? Gibt es doch so viele Arten der Partnerschaft und Partner, so dass es hier immer eine genauere Definition verlangt. Der Geschäftspartner, Gesprächs- oder Sexualpartner, der Ex-Partner oder gar der Trainings‑, Vertrags,- oder Ansprechpartner. Also doch irgendwie nur ein „GEGENÜBER“?
Einen Lebensabschnittsbegleiter möchte ich auch nicht haben, zumal die Definition im Internet von Begleiter folgende ist:
Was sind Begleiter?
Indefinitpronomen (unbestimmte Fürwörter): „Manche Autos sind einfach zuverlässiger. ...
Possessivpronomen (besitzanzeigende Fürwörter): „Meine große Schwester spielt Klavier. ...
Demonstrativpronomen (hinweisende Fürwörter), Interrogativpronomen (Fragewörter) u.s.w.
Oder auch:
Begleiter bezeichnet: einen persönlichen Berater, eine persönliche Eskorte, einen Mentor, siehe Mentoring, einen Mond eines Planeten, siehe Satellit ...
Das macht es alles nicht besser. Auf manchen Einladungen steht: „Mit Begleitung“, und als „Begleitservice“ fühle ich mich auch nicht unbedingt wohler. Und auch ein Blindenhund kann ein guter und wertvoller Begleiter sein.
Wie aber sähe denn die Welt mit „Freundschaft“ aus?
Ich habe wundervolle Freundinnen, und wenn ich von ihnen spreche, so ist es entweder meine Freundin XY, oder, eine meiner Freundinnen. Sie wird nicht festgenagelt mit dem Possessivpronomen MEINE Freundin, sondern bleibt in diesen Formulierungen immer noch sie selbst. So ist es denn auch nicht MEIN Mann, sondern der Mann an MEINER Seite, denn MEINE Seite bleibt, der Mann eventuell nicht. wobei hier der Sonderstatus der vor dem Gesetzt verbundenen Eheleute noch einmal anders zu betrachten ist….
So rate ich denn auch Menschen, die in Ihrem Paarkonstrukt nicht ganz so glücklich sind, zur Freundinnenprobe. Die Frage lautet dann: Wenn es deine Freundin wäre, würdest du dich dann auch so verhalten? Dir das bieten lassen? Dich so zurücknehmen? So mit ihr umgehen?
Seltsamerweise bringt das dann ganz schnell Klarheit und es dämmert, dass wir oftmals in einer „Beziehung“ stecken, die wenig mit Freundschaft zu tun hat. Wenn wir uns darauf besinnen können, wie gut es sich in einer Freundschaft anfühlt, dann merken wir schnell, wie es um unser Paarkonstrukt bestellt ist. Oftmals hilft es, sich wieder auf sein eigenes Leben zu besinnen, die Frage zu stellen: macht es mich groß und weit? Bringt es das Beste in mir zum Vorschein? Dehnt es mich aus? Ermöglicht es mir, mich ganz in meinem Potential zu leben? Nährt es mich?
Und mit ehrlicher Beantwortung dieser Fragen wird auch klar, welche Schritte zu tun sind.
Ich wünsche kraftvolles Voranschreiten mit einem guten Freund oder Freundin an deiner Seite!